10 Jahre Ö-Cert: Auf dem Weg zur Bildungsqualität
Am 30. März 2022 fand die Ö-Cert-Enquete 2022 im Jesuitensaal der Aula der Wissenschaften in Wien statt, die Festrede hielt der deutsche Philosoph Julian Nida-Rümelin.
Über 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der österreichischen Erwachsenenbildungs- und Ö-Cert-Community wurden in Vertretung des Herrn Bundesministers Martin Polaschek vom Generalsekretär des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung begrüßt: Martin Netzer, der an der Entstehung von Ö-Cert wesentlich beteiligt war, brachte mit seinen Geburtstagswünschen die Freude über die gelungene Etablierung von Ö-Cert zum Ausdruck. Für die musikalische Umrahmung sorgte die multikulturelle Band Tsatsiki Connection, kompetent moderiert wurde die Enquete von Ani Gülgün-Mayr.
Ein europaweites Erfolgsmodell
Viele waren an der Entwicklung und erfolgreichen Etablierung des Qualitätsrahmens Ö-Cert beteiligt; Bund und Länder sowie Sozialpartner haben zusammen mit Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Forschung ebenso wie aus Bildungsmanagement und Praxis zum Gelingen dieses Prozesses beigetragen. Ö-Cert hat auch aus europäischer Perspektive nach wie vor ein Alleinstellungsmerkmal.
Mit der 15a-Vereinbarung zu Ö-Cert wurden erstmals österreichweit einheitliche Qualitätsstandards für Bildungsanbieter geschaffen; die mit Ö-Cert verbundenen Ziele wie Verwaltungsvereinfachungen für Fördergeber und Erwachsenenbildungsanbieter oder Transparenz für Bildungsinteressierte wurden erreicht. Anhand der festgelegten Ö-Cert-Grundvoraussetzungen kann eine Beurteilung, ob es sich bei einer Einrichtung um einen Anbieter von Erwachsenenbildung handelt, der unter erwachsenenpädagogischen Gesichtspunkten qualitätsvolle Arbeit leistet, vorgenommen werden. Ö-Cert leistet damit durchaus auch einen Beitrag zu einer Definition des Begriffs Erwachsenenbildung und zu gelingender Bildungspraxis.
Festvortrag: Qualitätsprüfungen in der Bildungspraxis als Optimierungsfalle
Wichtig ist es, sich nicht auf den Lorbeeren auszuruhen, sondern nach 10 Jahren Ö-Cert kritisch zu reflektieren, inwieweit solche Instrumente nicht nur Qualifizierung, Professionalisierung und Homogenisierung fördern, sondern zugleich eine Vielfalt der Zugänge ermöglichen bzw. wie und ob es möglich ist, zwischen diesen Gewichten eine gute Balance zu finden und zu halten.
Der deutsche Philosoph Julian Nida-Rümelin knüpfte in seinem Festvortrag an diese Überlegungen nahtlos an. Es sei wichtig und keineswegs selbstverständlich, eine kritische Reflexion nicht nur zuzulassen, sondern sogar einzufordern. Drei Aspekte seines thematisch breit angelegten Vortrages seien hervorgehoben:
Anhand von Assessments im Bildungsbereich wie PISA zeigt er die Gefahr auf, dass Bereiche wie musische Bildung oder jene, die ganz allgemein der Persönlichkeitsentwicklung dienen, nicht gemessen werden bzw. kaum messbar sind und damit an Relevanz verlieren, oder gänzlich irrelevant werden. Das würde aber dem Sinne einer humanistischen Bildungspolitik mit den Säulen Eigenverantwortung, Vielfalt, Integrität und Kooperation widersprechen.
Mit Bezug auf eines seiner Hauptwerke „Die Optimierungsfalle" weist er darauf hin, dass Selbstoptimierung, d.h. die eigenen Ziele zu optimieren, weder kooperativ noch rational ist und schädliche Auswirkungen auf die Gesellschaft hat.
Die Einheit des Wissens (neben den von ihm genannten Prinzipien der Einheit der Person und der Einheit der Gesellschaft, auf die nicht näher eingegangen werden kann) bedeutet, dass nicht isoliertes Detailwissen wichtig ist, sondern eine Vermittlung davon, wie die Dinge zusammenhängen, um sich in der Welt orientieren zu können. Es geht also um die Gesamtheit der Bildungspraxis, um Interdisziplinarität und ein entwickeltes Orientierungswissen. Beispielsweise hat die Politik ihr Handeln während der Pandemie unter weitgehender Vernachlässigung psychologischer, ökonomischer, rechtlicher und anderer Aspekte von virologischen Expertisen leiten lassen.
Mit einem Qualitätssiegel allein ist es nicht getan
Elke Gruber und Robert Kramreither, hier in ihren Funktionen als Vorsitzende bzw. Vorsitzender der Ö-Cert-Akkreditierungs- und Lenkungsgruppe, sprachen von einem damaligen „window of opportunity" und skizzierten die Intentionen, Gründe und Entwicklungsprozesse, die schließlich zur Implementierung von Ö-Cert geführt haben. Sie betonten aber auch, dass einheitliche Qualitätsstandards allein freilich nicht ausreichend sind. Im Qualitätsmanagement soll es auch nicht um das Abhaken von Listen gehen, sondern um Aushandlungsprozesse und Weiterentwicklung; nicht nur um Steuerung, sondern in erster Linie um die Lernenden und immer wieder um eine kritische Reflexion des eigenen Handelns. Und die Erkenntnis, dass manche Prozesse ihre Grenzen und auch die unmessbaren Dinge ihre Bedeutung haben.
Angebotsqualität zwischen Marktlogik und pädagogischer Verantwortung
Die Ö-Cert-Enquete 2020 beschäftigte sich mit dem Thema der Qualität von und der pädagogischen Haltung zu Bildungsangeboten. Programmplanungsverantwortliche sind bei der Konzeption des Kursangebotes gefordert. Sie müssen ihr Angebot im gesellschaftlichen Wandel immer wieder neu positionieren, und zugleich gilt es, unterschiedliche Interessen zu wahren und den wirtschaftlichen Aspekt zu berücksichtigen.
Bernd Käpplinger, Universität Gießen, thematisierte in seinem Vortrag auf Grundlage von konkreten Praxisbeispielen und Forschungsergebnissen die Programmplanung in der Weiterbildung. Programme und Ankündigungstexte sind Aushängeschilder für Weiterbildungseinrichtungen, womit man Kundinnen und Kunden erfolgreich werben will. Haben Programme und Ankündigungen aber allein diese Relevanz? Welche Bedeutungen haben diese Texte noch? Welche Fehler, Gefahren oder gar Skandale lauern, die man vermeiden sollte? Wie kann eine professionelle, gelingende Praxis von Pädagogik und Ökonomie aussehen? Welche Modelle der Wissenschaft geben hier Orientierungen?
Im zweiten Teil der Enquete wurde das Spannungsverhältnis von pädagogischer Haltung und dem Verkauf von Bildungsprodukten beleuchtet. In Tandem-Diskursen setzten sich Vertreter/innen aus dem Feld der Erwachsenenbildung, der Länder und des Bundes mit konkreten Problemstellungen im Bereich der Programmplanung auseinander.
Programm der Ö-Cert-Enquete 2020
Unterlagen Bernd Käpplinger:
Wie sehen ein gelungener Ankündigungstext und ein gelungenes Programm in der Weiterbildung aus? Programmplanung im Spannungsfeld der Interessen.
Ergebnis der Mentimeter-Abfrage
Artikel zur Enquete:
erwachsenenbildung.at Ö-Cert-Enquete: "Es geht schließlich um pädagogische Verantwortung"
Buchtipp
Fleige, Marion; Gieseke, Wiltrud; von Hippel, Aiga; Käpplinger, Bernd; Robak, Steffi, Fach: Pädagogik; Reihe: Erwachsenen- und Weiterbildung. Befunde – Diskurse – Transfer: Programm- und Angebotsentwicklung in der Erwachsenen- und Weiterbildung. Grundlagenwissen zu Bedarf, Planung, Marketing und Forschung. Zweite Auflage, 2019.
Zukunftssichten: Qualitätsherausforderungen der Erwachsenenbildung
Die Erwachsenenbildungslandschaft in Österreich zeichnet sich durch eine Vielzahl an Bildungsanbietern mit einem breiten inhaltlichen Spektrum aus. Neben öffentlichen Einrichtungen haben sich in den letzten 20 Jahren zunehmend auch private Anbieter am Markt etabliert. Aber nicht nur die
Anbieterstruktur der Erwachsenenbildung ist im Wandel begriffen.
Der Beitritt zur Europäischen Union und die damit verbundene Europäisierung, Professionalisierungsbestrebungen, die Forderung nach „mehr Qualität" und Regularien, die Ausweitung digitaler Medien im Bildungsbereich und ähnliches mehr stellen die Erwachsenenbildung vor Herausforderungen, die im Qualitätsdiskurs zu bedenken sind.
Programm der Ö-Cert-Enquete 2018
Unterlagen der Vortragenden:
Elke Gruber: Akzeptanz und Wirkung - Ö-Cert auf einem guten Weg
Josef Schrader: Qualitätsanforderungen an Organisationen der Erwachsenen- und Weiterbildung
Doppelconference von Dieter Gnahs und Erich Ribolits
Artikel zur Enquete:
Land Salzburg, Landeskorrespondenz: Österreichweit größte Konferenz für Erwachsenenbildung tagt in Salzburg
erwachsenenbildung.at: Ö-Cert-Enquete: Qualität fordert heraus
Analyse und Empfehlungen:
Allgemeine Geschäftsbedingungen von Erwachsenenbildungsorganisationen, Analyse und Empfehlungen, Dezember 2017
Vier Jahre Ö-Cert: Entwicklungsimpuls für die Erwachsenenbildung, 15. Jänner 2016
Programm der Ö-Cert-Enquete 2016
Vortragsunterlagen und Studie von Simon Broek
PowerPointPräsentation zum Vortrag: Ö-Cert in Europa: Was kann Ö-Cert für die Weiterbildung der Erwachsenenbildung leisten?
Kurzfassung der Studie auf Deutsch: Developing the adult learning sector, Quality in the Adult Learning Sector (LOT 1), Executive Summary in German, June 2013
Studie: Developing the adult learning sector, Quality in the Adult Learning Sector (LOT 1), June 2013
Unterlagen zur Doppelconference von D. Gnahs/E. Ribolits
Herausforderungen bei Ö-Cert-Akkreditierungen
Unterlagen zur Arbeitsphase:
Die Karten wurden von den Teilnehmer/innen während der Arbeitsphase erstellt.
weiße Karten
Frage: Was müsste verändert, verbessert werden, damit Ö-Cert einen (höheren) Beitrag zur Weiterentwicklung der Erwachsenenbildung leisten kann?
grüne Karten
Frage: In welchen Bereichen und wodurch leistet Ö-Cert aus Ihrer praktischen Erfahrung einen Beitrag zur Weiterentwicklung der Erwachsenenbildung?
Die Beiträge auf den Karten sind für die Ö-Cert-Verantwortlichen von Bedeutung und fließen in die weitere Arbeit ein.
Zwei Jahre Ö-Cert: Standortbestimmung und Zukunftsperspektiven
Programm der Ö-Cert-Enquete 2013
"Über 900 Ö-Cert Akkreditierungen binnen 2 Jahren", Mag. Wilfried Hackl,
erwachsenenbildung.at, 14.02.2014
PowerPointPräsentation zum Vortrag: Qualitätsmanagement als Steuerungsinstrument im Weiterbildungsbereich, Prof. Dr. Dieter Gnahs
Zwei Jahre Akkreditierungsgruppe Ö-Cert: Erfahrungen und Herausforderungen, Univ.-Prof. Mag. Dr. Elke Gruber
WEITERFÜHRENDE ARTIKEL UND LINKS
Erwachsenenbildung mit Qualität steuern, Univ.-Prof. Mag. Dr. Elke Gruber,
in Weiterbildung 06/2013
Qualitätsentwicklung am Scheideweg, Prof. Dr. Dieter Gnahs, 2010
Studie Allgemeine Geschäftsbedingungen von Erwachsenenbildungsorganisationen - Analyse und Empfehlungen, Mag. Maria Ecker, 2013 auf erwachsenenbildung.at
Weiterbildungsakademie: wba-Zertifikat, wba-Diplom, Akkreditierung von Bildungsangeboten
Evaluitis - Eine neue Krankheit, Bruno S. Frey, 2006